RADIOAKTIVITäT BLEIBT THEMA: DIE LEHREN AUS FUKUSHIMA UND TSCHERNOBYL

Das Reaktorunglück in Tschernobyl jährt sich am Freitag zum 38. Mal. Dieser Jahrestag ist Anlass, um auf Spätfolgen sowie die Gefahren der Nutzung von Atomenergie hinzuweisen.

Das Wort „Ines“ dürften die meisten mit einem spanischstämmigen Vornamen in Verbindung bringen. Oder mit Ines de Ramon, der neuen Freundin von Brad Pitt. Es gibt jedoch auch eine deutlich unangenehmere Assoziation – als Abkürzung für International Nuclear und Radiological Event Scale. Mit dieser Bewertungsskala werden nukleare und radiologische Ereignisse eingestuft, um die Öffentlichkeit etwa rasch über die Gefahr einer Reaktorkatastrophe zu informieren.

Die „INES“, bzw. eine frühere Version, wurden am 26. April 1986 und am 11. März 2011 genutzt. Heute vor 38 Jahren kam es im Norden der Ukraine, in Tschernobyl, zu einer Kernschmelze, die je nach Interessenslage und Betrachtung der Spätfolgen sowie Krankheiten laut Forschern 4000 bis hunderttausende Opfer forderte.

Jahre später erschütterte ein Erdbeben die japanische Insel Honshū. Wegen des darauf folgenden Tsunamis, der unter anderem ein Kernkraftwerk an der Küste traf, gelangten erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt.

Gesundheitliche Folgen resultierten für Österreicher in erster Linie nach dem Tschernobyl-Zwischenfall – während der ersten Tage, als kontaminierte Luftmassen vorüber zogen, in Form von Inhalation, während der Jahre danach durch die Nahrungsaufnahme.

Noch heute können Waldböden – und folglich auch Pilze sowie Wildfleisch, besonders von Wildschweinen – radioaktiv verstrahlt und mit Cäsium 137 und Strontium 90 belastet sein. Gegen gelegentlichen Verzehr spricht allerdings nichts. Schwammerln aus Osteuropa und Lebensmittelimporte aus einzelnen japanischen Präfekturen werden vor dem Verkauf auf Radioaktivität geprüft. Dabei wurden laut der deutschen Verbraucherzentrale während der vergangenen Jahre keine Grenzüberschreitungen festgestellt.

Landwirtschaftliche Erzeugnisse, wie Getreide, seien inzwischen unbedenklich. Denn im Gegensatz zu Waldböden werden Ackerflächen regelmäßig durch Landwirte bearbeitet, wodurch sich deren Zusammensetzung verändere.

Anders sieht es bei Meeresfischen aus. 2011 wurde einerseits der Löwenanteil der Radioaktivität auf das Meer geweht. Andererseits füllten Mitarbeiter Wasser in die Reaktorblöcke, um eine fatale Kernschmelze zu verhindern. Das kam dort mit radioaktivem Material in Berührung. Laut der japanischen Agentur Kyodo wurden dennoch tausende Tonnen dieser radioaktiven Brühe in den Ozean abgeleitet. Die Vermutung, dass Meerestiere radioaktiv belastet sind, liegt folglich nahe. Eine sichere Überwachung, was auf den Tellern landet, ist allerdings schwierig, weil Fische weite Strecken zurücklegen und in entfernten Teilen der Meere gefischt werden könnten.

Dabei war auch die Schilddrüse von Interesse, da das Organ die problematischen Stoffe speichert. Die Aufnahme erfolgte damals großteils über Milch, Milchprodukte und Blattgemüse.

Inwiefern die Gesundheit der Österreicher darunter litt, lässt sich schwer abschätzen. Aus der Strahlenbelastung hochgerechnet gehen Mediziner von rund tausend zusätzlichen Krebserkrankungen aus. Bei einer systematischen epidemiologischen Analyse der Gesundheitsfolgen gab es zudem Hinweise auf geringe Anstiege bei Frühgeburten im Jahr nach dem Reaktorunfall.

Wem dienen Jod-Tabletten im Notfall?

Laut dem deutschen Bundesamt für Strahlenschutz sollte man nach einem nuklearen Unfall versuchen zu verhindern, dass sich freigesetztes, radioaktives Jod in der Schilddrüse anreichert und zu Schilddrüsenkrebs führen könnte. Dazu wird geraten nicht-radioaktives Jod in Form einer hochdosierten Tablette aufzunehmen.

Dabei ist der Zeitpunkt entscheidend: Werden Jodtabletten zu früh eingenommen, kann das nicht-radioaktive Jod bereits abgebaut sein, wenn radioaktives Jod aufgenommen wird. Werden die Tabletten zu spät eingenommen, kann radioaktives Jod zuvor von der Schilddrüse aufgenommen worden sein. Daher sollte man auf die ausdrückliche Aufforderung der Katastrophenschutzbehörden achten.

Die Dosierung hängt vom Alter ab: Da die Schilddrüse insbesondere bei Kindern und Jugendlichen empfindlich ist, wird ihnen die Einnahme nahegelegt. Bei Schwangeren dient die Einnahme insbesondere dem Schutz des Ungeborenen. Über-45-Jährigen hingegen wird von einer Einnahme abgeraten. Für sie überwiegen die Risiken.

Manche Atomkerne von chemischen Elementen die zerfallen, werden als radioaktiv bezeichnet. Die Strahlung, die zerfallende Elemente aussenden, wird in mehrere Arten unterschieden:

Alpha- und Betastrahlung bestehen aus Partikeln – Alphastrahlung aus positiv geladenen Helium-Kernen, Betastrahlen aus Elektronen.

Bei Gammastrahlung handelt es sich um elektromagnetische Wellen, die man mit Röntgenstrahlung vergleichen kann. Deren Wellenlänge ist allerdings kleiner und die Strahlen sind somit sehr energiereich.

Mit Radioaktivität verbundene Gefahren bleiben Thema

Auch wenn in Österreich kein Atomkraftwerk in Betrieb ist, stammen laut der IG Windkraft je nach Berechnungsart zwischen drei und zwölf Prozent des Stroms aus Atomkraft. Weltweit sind rund 440 Atomkraftwerke in Betrieb, etwa die Hälfte davon in Europa.

Österreichische Behörden beteiligen sich folglich regelmäßig an Notfallübungen, gemeinsam mit Nachbarstaaten. Zudem haben möglicherweise betroffene Regionen Vorkehrungen getroffen, dass die Bevölkerung im Anlassfall mit Tabletten ausgestattet wird. Cäsium und Strontium haben nämlich eine Halbwertszeit von rund 30 Jahren. Die radioaktive Strahlung von Plutonium hat sich in 24.000 Jahren halbiert. (TT.com)

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