DER MYSTERIöSE TOD EINES BELARUSSISCHEN DIPLOMATEN IN MINSK

Nach seiner Absetzung als Botschafter in Deutschland ist der Diplomat Denis Sidorenko in seiner Heimat Belarus im Alter 48 Jahren gestorben. Das Außenministerium in Minsk teilte erst nach Berichten unabhängiger belarussischer Medien mit, dass der „liebe Kollege, außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter von Belarus in Deutschland (2016-2024)“, gestorben sei. Eine Todesursache wurde nicht genannt.

Mehrere unabhängige belarussische Medien, die im ausländischen Exil arbeiten, berichteten, dass sich der Familienvater nach Verhören durch den Geheimdienst KGB am 24. Juni aus dem Fenster eines Hochhauses in Minsk gestürzt habe. Eine offizielle Bestätigung für den Suizid gab es nicht. Machthaber Alexander Lukaschenko führt Belarus mit harter Hand, lässt weiter die Todesstrafe vollstrecken und erlaubt keine freie Medienberichterstattung. Er hatte Sidorenko, der sich für gute Beziehungen auch zur Europäischen Union eingesetzt hatte, aus Deutschland abberufen.

Kurze Mitteilung nach Beerdigung

Sidorenko war auch während der gegen Lukaschenko gerichteten und dann niedergeschlagenen Proteste 2020 im Staatsdienst verblieben, als der Machthaber sich in einer manipulierten Wahl erneut den Sieg hatte zusprechen lassen. Viele prowestliche Belarussen blieben im Ausland oder flüchteten.

Das Außenministerium in Minsk veröffentlichte erst nach der Beerdigung eine Mitteilung: „Als talentierter und verantwortungsbewusster Diplomat, Profi und Patriot hat er sich die verdiente Autorität und Respekt seiner Kollegen und Partner sowohl in der Republik Belarus als auch weit über ihre Grenzen hinaus verdient. Dies ist ein großer Verlust für die diplomatische Familie von Belarus.“

Sidorenko werde in Erinnerung bleiben „als ein wunderbarer Mensch, ein fürsorglicher und mitfühlender Kollege, ein verlässlicher Freund und Kamerad.“ Im Vorjahr war auch der belarussische Außenminister Wladimir Makej im Alter von 64 überraschend gestorben, was ebenfalls zu Spekulationen über die Todesursache geführt hatte.

Verpflichtende Lügendetektortests

Der belarussische Oppositionspolitiker Pawel Latuschka, der in Wien weilte, äußerte sich im APA-Gespräch zu dem Vorfall. Er kenne Sidenko seit mehr als 20 Jahren, erzählte Latuschka. Obwohl dieser nach der brutalen Niederschlagung der Proteste vor vier Jahren das Außenministerium nicht verlassen habe, sei er eine Person mit „eher pro-europäischen Einstellungen“ gewesen, schilderte der Exilpolitiker.

Er könne zwar den Medienbericht zur Todesursache nicht bestätigen, gehe aber davon aus, dass es von Seiten des KGB Fragen an den Diplomaten nach dessen Rückkehr aus Deutschland gegeben habe. Seit etwa drei oder vier Jahren müssen sich belarussische Diplomaten nach der Rückkehr von Auslandsposten Lügendetektortests unterziehen. Der Verstorbene sei seines Wissens bei so einem Test durchgefallen und erneut getestet worden. Er vermute daher, dass Sidorenko mit deutschen Diplomaten Gespräche geführt habe, von denen weder das Ministerium in Minsk noch der Sicherheitsoffizier an der Botschaft in Berlin etwas gewusst hätten.

(APA)

2024-06-28T08:21:41Z dg43tfdfdgfd