RUND HUNDERT PERSONEN WERDEN DERZEIT IM BODENSEE VERMISST

Im Bodensee sind am Wochenende zwei Leichen gefunden worden. Insgesamt gibt es aber weit mehr Tote im See, ihre Zahl wird derzeit mit über hundert angegeben. Die zuständigen Polizeistellen der Anrainerländer Österreich, Deutschland und Schweiz führen seit 1947 eine gemeinsame Übersichtsliste, um allfällige Vermisstenfälle rasch abgleichen zu können. Auch bei der Suche nach Abgängigen setzt man auf grenzüberschreitende Kooperation.

Die Identität der beiden jüngst Gefundenen war am Montag weiter unklar. Am Samstagvormittag hatte eine Bootsfahrerin einen männlichen Leichnam zwei Kilometer vor der Mündung des Neuen Rheins entdeckt. Da der Fundort auf deutschem Gebiet lag, übernahmen die dortigen Behörden die Untersuchung. Zu dem Fall gebe es vorerst keine Neuigkeiten, hieß es am Montag. Am Samstagabend fanden drei Kajakfahrern zwischen dem Vorarlberger Hard (Bez. Bregenz) und Lindau (Bayern) einen toten Mann im Wasser. Er dürfte schon mehr als sechs Monate tot sein, hieß es. Eine Obduktion wurde angeordnet, sie soll am Dienstag stattfinden.

Im Bodensee kommt es jedes Jahr zu tödlichen Unfällen. Die Statistik führt für 2023 insgesamt 15 tödlich Verunglückte am gesamten See, 13 von ihnen Badende. Dass Personen im Bodensee vermisst werden und es auch bleiben, kommt dabei immer wieder vor. 103 Personen gelten aktuell als vermisst. In den vergangenen zehn Jahren wurden zehn Langzeitabgängige registriert, erklärte Bernhard Aigner, Kommandant der Seepolizei Hard. Seit August 2023 vermisst wird etwa ein Stand up-Paddler, der sich trotz Starkwinds vor Lochau (Bez. Bregenz) auf den See begab. Im Jänner 2012 gerieten zwei Fischer bei Fußach in einen Sturm, lediglich ihr gekentertes Boot wurde gefunden. In beiden Fällen blieb eine tagelange Suche vergebens.

"Von unserer Seite wird natürlich alles unternommen, um die Personen zu finden", sagte Aigner. "Denn für Angehörige ist die Ungewissheit das Schlimmste. Wir erleben immer wieder, wie wichtig der Fund eines Verstorbenen für die Angehörigen ist, um in der Trauer einen Abschluss zu finden." Neben Badegästen und Tauchern sind Opfer von Bootsunfällen und Flugzeugabstürzen unter den Abgängigen, aber auch Personen, die in suizidaler Absicht in den See oder einen seiner Zuflüsse gestiegen sind.

Ist der Unfallort bekannt, hat eine Suche mit Tauchern oder Unterwasserrobotern bessere Erfolgsaussichten. Gerade bei Badeunfällen in Ufernähe lasse sich das Suchgebiet gut eingrenzen, so Aigner. Viele Körper gibt der See aber lange nicht mehr her, vor allem wenn Unfallort oder -zeitpunkt nicht klar sind, etwa wenn ein verlassen treibendes Boot gefunden wird. Stürme und Strömungen im Bodensee, die vom Zufluss des Rheins und vom Wind abhängen, erschwerten die Situation zusätzlich. Vermisste würden dann oft weit von der Unfallstelle abgetrieben.

"Das größte Problem ist dann die Wassertiefe", erläuterte Aigner. Aufgrund der großen Tiefe des Bodensees - durchschnittlich 80 Meter, an der tiefsten Stelle aber über 250 Meter - bildet sich eine thermisch stabile Schicht am Grund mit einer Wassertemperatur von vier Grad, die eine Verwesung bzw. die Gasbildung eines abgesunkenen Körpers reduziert. Ab 50 Metern Tiefe halte der Wasserdruck den Körper unten. Die entstehenden Verwesungsgase reichten nicht aus, um den Leichnam an die Oberfläche zu treiben. Manche verfangen sich an abgesunkenem Holz oder Pflanzen, werden von Sediment überlagert.

Wenn im Herbst und Frühjahr die unterschiedlich warmen Wasserschichten in der jahreszeitlichen Zirkulation umgewälzt werden, bringt dieser Prozess manchmal aber doch nach oben, was in der Tiefe liegt. Auch durch Hochwasser oder Stürme können Vermisste wieder auftauchen. Dass gerade jetzt zwei Tote binnen kurzer Zeit gefunden wurden, habe vermutlich mit dem Hochwasser in der jüngsten Zeit zu tun, sagte Aigner.

Für die nun beginnende Sommersaison appellierte der Seepolizist an die Vernunft der Seenutzer. Das Wetter am Bodensee könne rasch umschlagen. "Die Sturmwarnung ist nur eine Serviceleistung, keine Garantie", betonte er. Es gelte daher, die Wetterprognose zu beachten und auch beim Aufenthalt am und im See, das Wetter im Auge zu behalten: "Viele schätzen die Gefahr falsch ein!"

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