HIMMELSSCHEIBE VON NEBRA VOR 25 JAHREN GEFUNDEN

Vor 25 Jahren, am 4. Juli 1999, entdeckten Raubgräber auf dem Mittelberg nahe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt (Deutschland) eine Metallscheibe und andere Objekte. Was sie nicht ahnten: Bei der Scheibe handelt es sich um die älteste konkrete Darstellung astronomischer Phänomene weltweit. Für den Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt, Harald Meller, ist es "ein Jahrhundertfund von weltweiter Bedeutung, wie auch die Aufnahme in das Unesco-Weltdokumentenerbe zeigt".

Die beiden Sondengänger holten bei ihrer illegalen Grabung neben der Scheibe zwei Beile, einen Meißel, zwei zerbrochene Armspiralen und zwei Schwerter aus dem Boden. Die Schwerter, deren Griffe mit Goldklammern verziert sind, schätzten die Männer als wertvoll ein. Mit der Scheibe konnten sie nichts anfangen, sie nahmen sie aber mit, immerhin glänzte Gold darauf, schilderte einer der Angeklagten später im Prozess, in dem es unter anderem um Fundunterschlagung ging.

Die Scheibe blieb zunächst für die Öffentlichkeit unerreichbar, die Funde wechselten mehrmals den Besitzer. Erst am 23. Februar 2002 wurde der bronzezeitliche Schatz in einem Hotel in Basel (Schweiz) von der Polizei sichergestellt. Vorweggegangen waren Monate der Suche. Bereits die ersten verschwommenen Fotos von der Scheibe hatten den Archäologen Meller elektrisiert. Und als er das Fundstück endlich zum ersten Mal in den Händen hielt, war er überwältigt von der bildnishaften Qualität.

"Es ist ein großer Glücksfall, dass die Himmelsscheibe von Nebra nach ihrer Bergung durch illegale Sondengänger für das Land Sachsen-Anhalt bewahrt werden und ihre Fundstelle sowie Echtheit durch kriminologische Methoden, naturwissenschaftliche Untersuchungen und Nachgrabungen festgestellt werden konnten", sagt Meller 25 Jahre später. Es eröffne den Menschen nicht für möglich gehaltene Einblicke in das Wissen und die Vorstellungswelt unserer Vorfahren. "Dieses Wissen würde uns fehlen, wäre sie im Kunsthandel verkauft worden."

Auf der etwa zwei Kilogramm schweren Scheibe mit einem Durchmesser von 32 Zentimetern befinden sich Goldauflagen, die von Archäologen als Horizontbögen, Schiff sowie Mond, Sonne und Sterne gedeutet werden. Eine Ansammlung von sieben Goldpunkten wird als Sternenhaufen der Plejaden, in einer Konstellation wie vor 3600 Jahren, gedeutet. Seit 2008 befindet sich die Himmelsscheibe in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle.

Die Himmelsscheibe beflügelte die archäologische Forschung. Eines der weltweit größten Forschungsprojekte zur Bronzezeit lief zwischen 2004 und 2012. Untersucht wurden der archäologische Sensationsfund selbst und sein Umfeld. An dem Projekt mit dem Titel "Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Die Funde von Nebra, Sachsen-Anhalt, und ihre Bedeutung für die Bronzezeit Europas" beteiligten sich 36 Wissenschafter unter anderem aus Deutschland und Großbritannien. Heute ist klar, die damalige Gesellschaft war wesentlich komplexer als früher angenommen, verfügte über Fernhandelsbeziehungen und große handwerkliche Fähigkeiten.

Auch weil die Scheibe topographische Bezüge zum Brockenmassiv im Harz aufweist, stammt sie, nach Expertenangaben, aus Mitteldeutschland. Ihre Hersteller haben in einer ersten Nutzungsphase eine Schaltregel zur Harmonisierung des Mondjahres (354 Tage) und des Sonnenjahres (365 Tage) codiert. In einer zweiten Phase verschlüsselten sie uraltes kalendarisches Wissen aus der Steinzeit über die Bestimmung der Sommer- und Wintersonnenwende. Denn bereits vor rund 7000 Jahren konnten der Lauf der Gestirne und der richtige Zeitpunkt für die Aussaat bestimmt werden.

"Die Himmelsscheibe wie auch die fünf Unesco-Welterbestätten in Sachsen-Anhalt zeugen von der reichen Kulturgeschichte unseres Landes", sagt der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU). Die Himmelsscheibe präge ganz wesentlich die Landesidentität.

Für Sachsen-Anhalt bedeutet der Fund eine kulturelle und touristische Aufwertung. In das Besucherzentrum "Arche Nebra" in der Nähe des Fundortes der Scheibe kamen nach Angaben der Leiterin Bettina Pfaff bisher insgesamt mehr als eine Million Menschen. Auch international wurde die Himmelsscheibe immer wieder gezeigt, etwa im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien, wo der Fund 2005/2006 erstmals außerhalb Deutschlands zu sehen war.

(SERVICE - Internet: https://www.himmelsscheibe-erleben.de/)

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