NEUWAHLEN IN FRANKREICH – HAT SICH MACRON VERZOCKT?

Heute findet in Frankreich die vorgezogene Neuwahl statt. Die Rechtspopulisten um Jordan Bardella könnten Regierungsverantwortung bekommen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist im Land so unpopulär und die Opposition so stark, dass er Neuwahlen angeordnet hat. Gewählt wird heute (30. Juni) und am 7. Juli.

Der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) liegt Umfragen zufolge mit 37 Prozent mit großem Abstand vorn und dürfte so die Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung gewinnen. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront folgt mit 28 Prozent der Stimmen. Das Regierungslager ist mit 20 Prozent weit abgeschlagen. Es droht so erstmals ein Wahlergebnis, bei dem kein Lager eine regierungsfähige Mehrheit erhält.

Sollte der RN die Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung erhalten, ist Macron politisch gezwungen, Parteichef Jordan Bardella (28) das Amt des Premierministers anzubieten. Damit würde Frankreich zum vierten Mal eine "Kohabitation" erleben, in der Präsident und Premierminister aus unterschiedlichen Lagern kommen (siehe Bildstrecke oben).

Bardella selbst hat allerdings deutlich gemacht, dass er nur bei einer absoluten Mehrheit der Parlamentssitze Regierungsverantwortung übernehmen werde, da er sonst sein politisches Programm nicht umsetzen könne.

Das Bündnis aus Linkspopulisten, Sozialisten, Kommunisten und Grünen ist eine Neuauflage des früheren Bündnisses namens Nupes. Es brach auseinander, nachdem die Linkspopulisten sich nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober geweigert hatten, diese als terroristisch einzustufen.

Die nun antretende "Neue Volksfront" liegt in Umfragen bei 28,5 Prozent und einigte sich überraschend schnell auf ein gemeinsames Programm und gemeinsame Kandidaten. Keine Einigung erzielten die linken Parteien allerdings bei der Frage, wen sie im Fall eines Wahlsiegs als Premierminister vorschlagen wollen.

Das Regierungsprogramm sieht Steuererhöhungen, gedeckelte Preise und die Rücknahme der Rentenreform vor.

Wenn weder die Rechtspopulisten noch die links-grüne "Neue Volksfront" eine Mehrheit erreichen, kann Macron eine Art geschäftsführende Regierung ernennen. Dies könnte durchaus auch die amtierende Regierung sein, da deren Rücktritt nach der Neuwahl zwar erwartet, aber nicht vorgeschrieben wird.

Macron könnte auch einen wenig bekannten Politiker oder einen Technokraten zum Regierungschef ernennen und versuchen, mit wechselnden Partnern Mehrheiten für einzelne Vorhaben zu erreichen.

Er schließt dies zwar aus, debattiert wird die Möglichkeit dennoch: Macron könnte selber zurücktreten und damit die Präsidentschaftswahl vorziehen.

Macron, der bis 2027 gewählt ist und dann nicht wieder antreten kann, hat bislang keinen Nachfolger aufgebaut. So nutzen mehrere ehemalige Verbündete den kurzen Parlamentswahlkampf nun für eigene Zwecke: Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, Innenminister Gérald Darmanin und Ex-Premierminister Edouard Philippe sind zu Macron auf Distanz gegangen.

Auf eine Präsidentenwahl wäre aber wohl niemand so gut vorbereitet wie die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sie will 2027 erneut antreten. Sollte Macron ihr eines Tages die Amtsgeschäfte übertragen müssen, wäre er mit einem seiner wichtigsten Ziele seiner Amtszeit gescheitert: die Rechtspopulisten in Frankreich von der Macht fernzuhalten.

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