US-WAHL: BIDEN STRAUCHELT, TRUMP LüGT

Jammerlappen, Straßenköter: Im ersten TV-Duell zwischen Biden und Trump fielen wüste Beleidigungen. Trump versuchte immer wieder, das Thema auf die Migration zu lenken.

US-Präsident Joe Biden und sein Amtsvorgänger und Herausforderer Donald Trump haben sich im ersten TV-Duell vor der Präsidentschaftswahl gegenseitig heftig beschimpft. Trump warf Biden im Sender CNN vor, der "schlechteste Präsident" zu sein, den es in der Geschichte der USA gegeben habe. Biden warnte vor einer weiteren Amtszeit Trumps, den er als verurteilten Verbrecher und Gefahr für die Demokratie bezeichnete. Im Verlauf der Debatte wiederholte Trump immer wieder Falschbehauptungen. Biden hatte dem nicht immer etwas entgegenzusetzen. Zeitweise machte der Amtsinhaber in der Debatte keine gute Figur – was auch an seiner heiseren Stimme und seiner stockenden Sprechweise lag.

Das Duell begann ohne den üblichen Handschlag zwischen den Kandidaten. Gleich im ersten Themenblock, in dem es um Wirtschaftspolitik ging, machten sich Biden und Trump gegenseitig für die Probleme des Landes verantwortlich. Biden sagte, er habe bei seinem Amtsantritt eine "kollabierte" Wirtschaft übernommen. Trump sei der erste Präsident seit Herbert Hoover gewesen, unter dem die Arbeitslosigkeit in den USA gewachsen sei.

"Die Inflation tötet unser Land"

Trump behauptete seinerseits, die Wirtschaft in den USA sei während seiner Amtszeit "besser denn je" gewesen. Seinem Nachfolger warf er vor, die Inflation zu befeuern. "Die Inflation tötet unser Land", sagte Trump. 

Der Republikaner versuchte frühzeitig, das Thema auf die Immigration zu lenken, die er nach eigenen Worten bekämpfen will. Unter anderem behauptete er, unter Biden seien nur Jobs für "illegale Migranten" geschaffen worden. Wie schon in der Vergangenheit bezeichnete Trump Einwanderer als "Mörder". Die US-Südgrenze nannte er die "schlimmste" der Welt. Biden warf Trump in diesem Zusammenhang Lügen und Übertreibungen vor: "Sie sind der Trottel, Sie sind der Lügner", reagierte der Präsident auf ähnliche Beleidigungen Trumps.

Streit über Schwangerschaftsabbruch

Dem Thema Schwangerschaftsabbruch versuchte Trump auszuweichen, indem er auch Fragen dazu mit Aussagen zur Migrationspolitik beantwortete. Entgegen Umfrageergebnissen, die zeigen, dass eine Mehrheit der US-Amerikaner das Recht auf Schwangerschaftsabbruch unterstützt, behauptete Trump, "jeder" habe das Ende des Grundsatzurteils Roe versus Wade gewollt, mit dem während seiner Amtszeit die Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen de facto an die einzelnen Bundesstaaten übertragen wurde. Zahlreiche republikanisch regierte Bundesstaaten haben seither weitgehende Verbote von Schwangerschaftsabbrüchen eingeführt. 

Biden warf Trump vor, etwas "Fürchterliches" getan zu haben, indem dieser die Aufhebung des Grundsatzurteils zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch ermöglicht habe. Erneut wahrheitswidrig beschuldigte Trump die Demokraten, Abbrüche auch noch am Ende einer Schwangerschaft zu befürworten – und sogar "nach der Geburt".

Biden wirft Trump "Moral eines Straßenköters" vor

Trump nutzte seine Redezeit vielfach aus, um Fragen der Moderatoren auszuweichen und eigene Themen zu setzen. Anders als Biden gelang es dem Ex-Präsidenten jedoch überwiegend, seine Redezeit einzuhalten. Biden wurde von den Moderatoren mehrfach im Redefluss unterbrochen, auch geriet der Präsident immer wieder ins Stocken und sprach heiser und undeutlich. Trump nutzte das aus: "Ich weiß wirklich nicht, was er am Ende dieses Satzes gesagt hat", sagte er an einer Stelle und fügte hinzu, vermutlich wisse Biden es selbst nicht. Beide Kandidaten verwiesen fast durchweg als "this guy", "dieser Typ", auf den jeweils anderen.

In Form zeigte sich Biden vor allem beim Thema Demokratie. "Dieser Typ hat keine Ahnung von Demokratie", sagte der Präsident über seinen Vorgänger mit Blick auf dessen Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Mit Blick auf den Schuldspruch gegen Trump im New Yorker Schweigegeldprozess sagte Biden direkt an seinen Vorgänger gerichtet: "Sie haben die Moral eines Straßenköters." 

Trump wies die Anschuldigungen im Zusammenhang mit der Kapitolerstürmung von sich. Er habe seine Anhänger in seiner Rede unmittelbar vor dem Sturm auf das Kongressgebäude lediglich dazu aufgerufen, "friedlich und patriotisch" zu demonstrieren. Tatsächlich ist Trump wegen seiner Rolle am 6. Januar 2021 unter anderem wegen Verschwörung zum Umsturz angeklagt.

Trump will Ukraine-Krieg "noch vor Amtsantritt" beenden

Politische Gewalt lehne er eindeutig ab, sagte Trump später. Biden erinnerte derweil an die Aussage Trumps, im Falle seiner Niederlage bei der Wahl werde es ein "Blutbad" geben. Eine klare Antwort auf die Frage der Moderatoren, ob er das Wahlergebnis in diesem Jahr unabhängig von seinem Ausgang akzeptieren will, verweigerte Trump. Er werde dies "absolut" tun, sollte die Wahl fair verlaufen, sagte er – und wiederholte dann seine Lüge, dass es bei der Wahl 2020 verbreiteten Betrug gegeben habe und Biden nur auf diese Art ins Amt gekommen sei. Biden widersprach vehement und warf Trump vor, ein "Jammerlappen" zu sein, der Niederlagen nicht akzeptieren könne.

Relativ knapp äußerte sich Trump zum Thema Ukraine. Erneut unterstellte er Biden Führungsschwäche und machte diese für den russischen Überfall auf die Ukraine verantwortlich. Russlands Staatschef Wladimir Putin hätte es nie gewagt, die Ukraine anzugreifen, hätte er den US-Präsidenten respektiert, behauptete Trump. Dasselbe gelte für den Überfall der Hamas auf Israel. Sollte er gewählt werden, werde er den Ukraine-Krieg noch vor seiner Amtseinführung beenden, kündigte Trump an. Auf Bidens Warnung, Trump werde die Nato im Falle eines Wahlsiegs verlassen, ging Trump nicht direkt ein. Er drohte aber erneut damit, die Nato nicht weiter zu unterstützen, sollten deren europäische Mitglieder nicht ihren Anteil zahlen.

Weitere TV-Debatte im September

Trump und Biden hatten sich bereits vor dem Duell gegenseitig angegriffen. Trump zielte dabei vor allem auf Bidens Alter ab und suggerierte, dieser müsse vor der Debatte mit Medikamenten in Form gebracht werden. Die Demokraten wiederum schalteten vorab Anzeigen, in denen Trump als verurteilter Verbrecher in Atlanta begrüßt wurde. Der Republikaner war im Mai im New Yorker Schweigegeldprozess in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen worden.

Das TV-Duell in Atlanta war die erste von insgesamt zwei Fernsehdebatten, zu denen sich Biden und Trump bereit erklärt haben. Das zweite Duell findet am 10. September statt. Anders als die meisten ihrer Vorgänger werden Biden und Trump vor der Wahl am 5. November kein drittes Mal vor Fernsehpublikum aufeinandertreffen.

Das erste Duell unterschied sich vielfach von früheren – nicht nur, weil es sich um eine Wiederauflage der Trump-Biden-Debatte des Jahres 2020 handelte. Das damalige, von Fox News übertragene Duell mündete im Chaos, weil sich beide Kandidaten ständig unterbrachen und einander beleidigten. In Atlanta sorgte CNN nun vor: Während der Redezeit Bidens war Trumps Mikrofon ausgeschaltet und umgekehrt. Im Studio selbst gab es zudem kein Fernsehpublikum – ein Wunsch der Biden-Kampagne, dem Trump letztlich zustimmte. Das letzte TV-Duell, bei dem kein Livepublikum war, war jenes zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon im Jahr 1960 gewesen.

Ungewöhnlich frühes TV-Duell

Ungewöhnlich für einen US-Wahlkampf ist auch der Zeitpunkt des ersten Fernsehduells – immerhin sind es noch gut vier Monate bis zur Präsidentenwahl. Offiziell sind auch weder Biden noch Trump bislang von ihren Parteien zum Präsidentschaftskandidaten gekürt worden. Der entsprechende Parteitag der Republikaner findet Mitte Juli in Milwaukee statt, jener der Demokraten Ende August in Chicago.

Der Wahlkampf dürfte aber bereits jetzt an Fahrt aufnehmen. Mit besonderer Spannung wird erwartet, wie beide Kandidaten nach dem Fernsehduell in den sogenannten battleground states abschneiden. Die zwischen Demokraten und Republikanern besonders umkämpften Bundesstaaten Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin gelten als wahlentscheidend, beide Kandidaten konzentrieren ihren Wahlkampf deshalb in hohem Maße auf sie. Der Washington Post zufolge sahen Umfragen vor dem TV-Duell Trump in sechs der sieben Staaten vorn.

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