ANGELINA (15) TOTGEFAHREN – KEINE STRAFE FüR LENKER

Ein 55-Jähriger fuhr Angelina (15) mit dem Auto nieder, sie starb. Trotz Medikamenten-Überdosis wurden die Ermittlungen eingestellt.

Zwei- bis dreimal pro Wochen fahren Maria K. (52) und Alfred E. (53) zur Unfallstelle bei Ungerndorf (Bezirk Laa/Thaya, NÖ) und zum Grab ihrer Tochter Angelina K. (15): "Sie hat das Leben locker genommen, hat mit jedem können und Schmäh geführt. Sie war auch sehr hilfsbereit, technisch interessiert und tierlieb. Einmal hat sie ein verletztes, kleines Vogerl gesund gepflegt", erinnern sich ihre Eltern im Gespräch mit "Heute".

Bis zum 14. August 2023 – eigentlich ein ganz normaler Tag. "Wir sind zusammen einkaufen gefahren, Angelina wollte ein neues Bettzeug haben – für Erwachsene. Es war ein schöner Tag", erzählt ihre Mutter. Nach dem Einkauf half die 15-Jährige, die auch bei der Jugend-Feuerwehr aktiv war und demnächst den Traktor-Führerschein machen wollte, ihrem Vater, händisch Stechäpfel (giftiger Schädling, Anm.) aus dem Kürbisacker zu ziehen: "Danach habe ich sie heimgeschickt, weil ich noch wegmusste", berichtet der 53-Jährige.

Am Abend, gegen 19 Uhr, wollte die Fachschülerin dann noch eine letzte Runde mit dem Gokart drehen: "Nach einer zehnjährigen Leihe vom Schwager mussten wir es zurückgeben. Angelina war sehr versiert mit dem Gokart, durfte eigentlich nur in unserem Garten damit fahren", so Alfred E. Statt im Garten fuhr Angelina allerdings erst auf die Straße und dann auf einen Feldweg: "Ich vermute, dass sie zum anderen Acker fahren wollte, um nachzuschauen, ob es dort auch Stechäpfel gibt. Das wurde ihr zum Verhängnis", meint ihr Vater.

Denn die 15-Jährige wurde von Gerald E. (55) niedergemäht. Der Niederösterreicher war mit seinem Renault mit über 60 km/h (erlaubt waren 100 km/h) auf einem asphaltierten Güterweg unterwegs, der eigentlich nur für Anrainer befahrbar ist. Obwohl der 55-Jährige die Strecke sehr gut kennt, da er sie täglich mehrmals fährt, übersah er Angelina – vermutlich aufgrund eines Maisfeldes (rund 1,80 Meter Höhe): "Von links kam plötzlich ein kleines Fahrzeug und fuhr direkt vor meinen Pkw. Ich glaubte zunächst, dass es sich um ein Quad handelte", gab er zu Protokoll.

Angelina wurde mit dem Gokart unter dem Auto eingeklemmt, der Renault, der eine richtige Schneise hinterließ, kam erst nach rund 45 Metern in einem Rübenacker von selbst zum Stehen. "Ich konnte erkennen, dass das Mädchen noch leicht – ganz flach – atmete. Ich versuchte, das Mädchen unter dem Pkw hervorzuziehen, was mir jedoch nicht gelang", so Gerald E.

Da der 55-Jährige kein Handy bei sich hatte (Angelina allerdings schon), ging er in Richtung des nächsten Ortes, brach jedoch nach einigen hundert Metern zusammen. Nach rund 15 Minuten kamen zwei polnische Touristen auf dem Rad vorbei, sie setzten die Rettungskette in Gang. Doch der Notarzt konnte trotz Reanimation das Leben von Angelina nicht mehr retten: Sie starb aufgrund eines Polytraumas.

"Ich habe Angelina angerufen, sie aber nicht erreicht. Wir haben uns Sorgen gemacht. Als wir den Hubschrauber gesehen und die Sirenen gehört haben, sind wir sofort hin", erzählt Maria K. Doch erst, nachdem ihre Tochter für tot erklärt wurde, durften die Eltern zu ihrer geliebten Tochter.

Ein Alko-Test bei Gerald E. ergab 0,0 Promille. Da der Niederösterreicher in der Vergangenheit schon mehrfach durch Medikamenten-Missbrauch (bzw. -Einnahme) psychisch auffällig geworden war, ordnete die Staatsanwaltschaft Korneuburg auch einen Blut- und Urintest an. Dabei wurde eine Medikamenten-Überdosis an Neuroleptika festgestellt. Der 55-Jährige nimmt nach eigenen Angaben täglich vier verschiedene Präparate gegen Depressionen und Angstzustände ein.

"Das antipsychotisch wirkende Neuroleptikum Levomepromazin liegt weit über dem Bereich, der nach therapeutischer Applikation dieses Medikaments zu erwarten ist. In diesem Fall ist von einer Überdosierung auszugehen. Laut Medikamenteninformation wird darauf verwiesen, dass Überdosierungen mit Symptomen wie Benommenheit oder Verwirrtheit einhergehen können. Zusätzlich wird auf eine mögliche Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit hingewiesen", heißt es in einem ärztlichen Sachverständigen-Gutachten.

Trotzdem stellte die Staatsanwaltschaft Korneuburg die Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ein. Ausschlaggebend war auch ein verkehrstechnisches Sachverständigen-Gutachten, wonach Gerald E. keine "höhere Geschwindigkeit als die von ihm selbst angegebenen 60 bis 70 km/h nachgewiesen werden kann. Eine verspätete Reaktion auf das mögliche Erkennen des Gokarts ist ebenso nicht nachweisbar". Zudem war "eine Beeinträchtigung im gegenständlichen Fall nicht unfallkausal", heißt es in der Einstellungsbegründung.

Nun hat Top-Anwalt Johannes Bügler – er vertritt die Eltern in einer Trauerschmerzengeld-Klage – den Fall übernommen, er sieht die Einstellung kritisch: "Hier herrscht eindeutig noch Aufklärungsbedarf. Die konkreten Umstände werden im Zivilverfahren genau aufzuarbeiten sein, hinsichtlich der Unfallrekonstruktion und insbesondere im Hinblick auf den Medikamenten-Cocktail im Blut."

Auch Maria und Alfred sind entsetzt über die Einstellung – sie und Angelinas Schwester Kerstin (28) fordern daher je 15.500 Euro Trauerschaden: "Es geht uns nicht ums Geld, sondern um Gerechtigkeit", so die Eltern, die nur einen Wunsch haben: "Dass dieser Mann, nicht mehr Auto fährt. Der ganze Ort hat Angst vor ihm." Zumindest Eines hat Gerald E. beendet: Er geht nun nicht mehr täglich im Gasthaus – es befindet sich gegenüber von Marias und Alfreds Haus – essen.

2024-04-30T03:34:28Z dg43tfdfdgfd