AM ENDE DER WIENER FESTWOCHEN HAT‘S GEKNALLT: AM HOF BRANNTE DER BöSE VERBRENNUNGSMOTOR

Die Wiener Festwochen, gefühlt haben sie Monate gedauert, gingen am Wochenende mit zwei symptomatischen demonstrativen Akten zu Ende. Im Festspielzentrum „Haus der Republik“, früher als Volkskundemuseum bekannt, wurde ein „Mural“ – also eine Wandmalerei, die eigentlich keine ist, sondern eine mobile Tafel, klingt aber linkspolitischer – enthüllt. Heraus kam eine ikonografisch kryptisch bis banale Version von Delacroix‘ französischem Revolutionsbild „Die Freiheit führt das Volk“ von der im deutschen Exil lebenden russischen Malerin Victoria Lomasko. Die „Freiheit“, barbusig wie eh und je, dafür mit pinker Pussy-Riot-Sturmmaske, steht dabei mit ihrem Stiefel auf dem Kopf eines anonymen Untergehenden. Warum auch immer. Grausam ist diese heutige Marianne geworden, kann man nur sagen.

Ganz rechts scheint die Künstlerin sich selbst beim Malen verewigt zu haben. Unter ihren Füßen liegen drei Theatermasken. Diese Verschränkung von Kunst und Revolution haben wir zunehmend unaufgeregter zu konsumieren gelernt in den vergangenen Wochen. Sie ist die Leidenschaft von Intendanten Milo Rau, die manchmal wie Live-Rollenspiele als Teambuilding-Event für die linke Szene wirkte. Ob das nun das Nachstellen von Gerichtsverfahren bei den „Wiener Prozessen“ war oder Samstagabend die Demonstration, die vom „Haus der Republik“ mit rhythmischen Hölzchengeklapper zu einem der alten Hinrichtungsplätz der Innenstadt zog.

Nichts anderes als eine archaische Hinrichtung inszeniert Kris Verdonck bei seiner vagabundierenden Performance „Exhaust/Ajax“, diesmal eben „Am Hof“: Gegenstand des Pöbel-Hasses war „der Verbrennungsmotor“, von der schrill den Zug anführenden Schauspielerin Tamara Semzow als „größter Massenmörder der Geschichte“ angeklagt. Ihre Tiraden mit sich überschlagender Stimme sorgten zumindest für Interesse in den Public-Viewing-EM-Zonen. „Was ist mit der los, ist die irr?“ „Das sind die Wiener Festwochen.“ „Ah, viel Spaß!“ Alles nur Theater. Am Ende knallte es trotzdem sehr laut und der Motor ging in Rauch und Feuer auf. Ein Party-Fahrrad lotste „das Volk“ zurück zur Feier ins „Haus der Republik“.

Aufmerksamkeit, das hat Milo Rau in zuletzt ungekanntem Maße wieder für die müde gewordenen Wiener Festwochen erreicht. Ob er der Kunst (vor allem) und der Demokratie damit dient, gesellschaftspolitische Prozesse als hohle Rituale vorzuführen – das sollte er sich bis nächstes Jahr überlegen. Und wir uns auch.

2024-06-23T13:49:30Z dg43tfdfdgfd