FARBATTACKE BEI ANTISEMITISMUS-KONFERENZ MIT EDTSTADLER

Bei der Antisemitismus-Konferenz in der Wiener Innenstadt hat ein Mann Kunstblut verschüttet. In der Akademie der Wissenschaften fand am Montag die European Conference on Antisemitism statt. Beim Eintreffen von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schüttete der Mann mehrere Liter Kunstblut in Richtung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das Büro Edtstadler sprach von einer gezielten Attacke.

Eine Sprecherin der Ministerin teilte mit, dass der Mann versucht habe, gezielt Edtstadler und Deutsch zu attackieren. "Das konnte nur aufgrund des schnellen Eingreifens von Mitarbeitern bzw. der Polizei verhindert werden." Sie zeigte sich darüber entsetzt, dass "gerade auf einer Veranstaltung, die die bessere Vernetzung gegen Antisemitismus in den Fokus rückt, solche Aktionen stattfinden". Derartiges werde man nicht akzeptieren. "Letzte Woche beschmierte jüdische Geschäfte, heute Angriffe auf Teilnehmende einer Antisemitismuskonferenz - der Judenhass in Österreich zeigt seine hässliche Fratze am helllichten Tag", hieß es.

Bei dem Aktivisten handelte es sich um ein ehemaliges Mitglied der Protestbewegung "Letzte Generation". Der Protest richtete sich gegen die "Normalisierung eines Völkermordes" und für einen "Waffenstillstand" im Gazastreifen, sagte der Aktivist David Sonnenbaum der APA. "Hier geht es nicht um Antisemitismus. Hier geht es darum, jede Kritik am Vorgehen des Staates Israel zu unterdrücken", so Sonnenbaum, der selbst Mitglied der jüdischen Gemeinschaft in Österreich ist. Wie das Nachrichtenmagazin "profil" berichtete, rechnet Sonnenbaum mit einer Anzeige wegen Beschmutzung und Sachbeschädigung. Im Juni drohe ihm zudem eine Haftstrafe wegen früherer Klebe-Aktionen als Mitglied von "Letzte Generation".

Die Antisemitismus-Konferenz, die heuer zum dritten Mal stattfand, behandelte nicht den Nahost-Konflikt, sondern die internationale Vernetzung gegen Antisemitismus, reagierte Edtstadlers Sprecherin auf die Rechtfertigung des Kunstblut-Anschlags. Es sei überhaupt nicht der Ort gewesen, um gegen die Lage in Nahost zu protestieren. "Die Attacke ist daher klar als antisemitisch einzuordnen."

Die diesjährige Antisemitismus-Konferenz stand im Zeichen des steigenden Antisemitismus in Europa. Wie Edtstadler später in einer Rede ausführte, hat die Anzahl antisemitischer Vorfälle in Österreich 2023 um 60 Prozent zugenommen. In mehreren EU-Mitgliedsländern habe sie sich sogar vervierfacht. "Die Anzahl von antisemitischen Vorfällen ist ein Barometer für die Situation in der ganzen Gesellschaft", sagte Edtstadler. Es sei die Aufgabe Österreichs, Jüdinnen und Juden zu schützen. "Attacken auf Juden sind Attacken auf unsere Gesellschaft", sagte die Europa- und Verfassungsministerin.

Auf Pro-Palästina-Protesten skandierte Parolen wie "From the river to the sea, Palestine will be free" seien keine legitime Kritik an Israel, sondern ein "Aufruf zum Genozid", sagte der israelische Präsident Yitzhak (Isaac) Herzog, der per Videobotschaft aus Israel zugeschaltet war. Herzog sah keinen Unterschied zwischen "Antisemitismus und Antizionismus" und sprach diesbezüglich von der "ältesten Krankheit der Menschheitsgeschichte". Ein großes Lob sprach Israels Staatsoberhaupt Bundespräsident Alexander van der Bellen und der österreichischen Bundesregierung für ihren Kampf gegen Antisemitismus aus.

ÖAW-Präsident Heinz Faßmann ortete im Vergleich zu anhaltend schweren Pro-Palästina-Protesten an Universitäten in den USA eine "derzeit noch entspannte Lage" an den heimischen Hochschulen. Es gebe aber keine Garantie, dass das so bleibt, sagte der frühere Bildungsminister. IKG-Präsident Deutsch sprach von "schrecklichen Zeiten" für Juden in Österreich. "Juden haben wieder Angst, ihre Religion zu zeigen", sagte er und warnte vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ nach der Nationalratswahl im Herbst. Hier orte er ein Déjà-vu zu den Vorgängen im Deutschland während der 1930er-Jahre.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zeigte sich am Rande des Festakts zum Europatag betroffen von der Farbattacke auf Edtstadler und die anderen Konferenzteilnehmer. "Antisemitismus ist das Gift jeder Demokratie", betonte der Kanzler. Es müsse alles getan werden, um Antisemitismus in der Gesellschaft zu bekämpfen. Gewalt werde polizeilich verfolgt. Auch Vizekanzler Werner Kogler äußerte sich auf "X" zu Wort und sprach von einem "vollkommen unzulässigen Angriff", der "auf das schärfste zu verurteilen" sei. Kogler ortete einen "antisemitischen Tabubruch".

Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verurteilte die Farbattacke auf das Schärfste. "Erst am Wochenende wurde in Dresden ein SPD-Politiker Opfer eines Angriffes mit rechtsextremen Hintergrund und musste schwer verletzt im Spital operiert werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten jedweder Gesinnung ihre kruden Ansichten und Weltvorstellungen mit roher Gewalt durchsetzen wollen. Es braucht auch hier eine klare Haltung, und nicht nur schöne Worte", so Sobotka in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

"Aus der Geschichtsforschung wissen wir, dass besonders viele antisemitische Stereotypen mit Blut zusammenhängen. Es entsetzt mich umso mehr, dass so eine Attacke genau vor einer Antisemitismus-Konferenz stattfindet", sagte die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz laut einer Aussendung. "Solche Vorfälle, ebenso wie die am 1. Mai in der Leopoldstadt aufgetauchten antisemitischen Graffitis, zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir dem Antisemitismus auf allen Ebenen entschlossen und gemeinsam entgegentreten!", betonte Schatz.

2024-05-07T09:15:36Z dg43tfdfdgfd