POLIZEI JAGT GEWALTBEREITEN RIP-DEAL-BETRüGER, DER MILLIONENBEUTE MACHTE

Wien – Arabischer Scheich, russischer Oligarch, europäischer Investor: In all diesen Verkleidungen traten die Mitglieder einer Betrügerbande auf, die seit 2021 bei mindestens sechs sogenannten Rip-Deals insgesamt 2,2 Millionen Euro erbeuteten. Die spezialisierte Polizeieinheit Rip-Deal-Unit Vienna sucht nun den Kopf der Gruppe mit einem europäischen Haftbefehl: Der 38-jährige Martin Marinkovic war zwar bereits in Gewahrsam der italienischen Polizei, der Österreicher schaffte es aber zu entkommen und unterzutauchen.

Bei einem Hintergrundgespräch skizzierten die Mitglieder der bei der Außenstelle Zentrum-Ost des Landeskriminalamts angesiedelten Sonderermittler der Einheit die Besonderheiten in diesem Fall. Entgegen der üblichen Vorgangsweise gilt Marinkovic nämlich als gewaltbereit: Bei zwei Delikten wurden die misstrauisch gewordenen Opfer mit einer Faustfeuerwaffe bedroht, in einem Fall wurde der Geschädigte niedergestoßen. Zum ersten Mal in den vergangenen 20 Jahren kam auch wieder ein im Szenejargon so genannter "rumänischer Tisch" bei einem Betrug zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine präparierte Kommode, in der sich ein Täter versteckt. Nachdem die Täter den Kaufpreis in bar vorgezählt haben und das Opfer ihn kontrolliert hat, werden die Scheine verschweißt oder in einem Kuvert verstaut und "zur Sicherheit" in die Kommodenlade gelegt, wo der versteckte Mittäter sie gegen Falschgeld oder Papierschnipsel austauscht.

Die Rip-Deals sind eine genuin europäische Erfindung von ursprünglich auf dem Westbalkan beheimateten Clans, die mittlerweile weltweit aktiv sind. Seit der Gründung der Rip-Deal-Unit im Jahr 2020 haben die Wiener Spezialisten 118 Verdächtige ausgeforscht, die insgesamt 24 Millionen Euro Schaden verursacht haben. Das Grundprinzip ähnelt sich: Ein in der Gaunersprache "Mediator" genannter Komplize kontaktiert die Opfer und interessiert sich beispielsweise für inserierte Wertgegenstände und Immobilien oder gaukelt vor, ein Geschäft machen zu wollen. Beißt das Opfer, im Englischen heißen sie "Mark", an, kommt es zunächst zu vertrauensbildenden Treffen im Ausland, bei dem sich ein "Vermittler" vorstellt, der eine Provision fordert.

Treffen auf Spesen der Täter

Nach einem oder zwei dieser Meetings, bei denen die Täter meist die Spesen übernehmen, kommt es dann zum eigentlichen Betrug, der in mehreren Spielarten stattfinden kann. Geht es beispielsweise um teure Markenuhren, wird das Opfer bei der Übergabe abgelenkt und die als Kaufpreis präsentierten echten Euro-Scheine werden gegen Falschgeld ausgetauscht. Im Fall eines 82-jährigen Wieners, der eine Immobilie verkaufen wollte, entriss "Vermittler" Marinkovic dem Pensionisten in Udine einfach die Tasche mit dem Bargeld und flüchtete.

Neu ist, dass die Täter nicht mehr nur auf Bargeld oder Gold aus sind – sie gehen mit der Zeit, weshalb auch Krypto-Rip-Deals mittlerweile verbreitet sind. Dabei werden die Opfer dazu gebracht, in Anwesenheit der Täter Wallets einzurichten, die nicht mit bestimmten Kryptowährungsbörsen verbunden sind. Auf unterschiedliche Art und Weise schaffen die Betrüger es, das Passwort auszuspähen, mit dem sich diese Wallet auf ein anderes Gerät übertragen lässt. Völlig unbemerkt vom Opfer werden dann diese zweiten Konten eingerichtet, und sobald auf diesen Geld ist, wird es abgesaugt und verschwindet im Internet.

Im Jänner des Vorjahres verlor ein damals 33-jähriger deutsch-amerikanischer "Finfluencer", also ein Influencer im Finanzbereich, auf diese Art und Weise 300.000 Euro, weitere 300.000 Euro Schaden entstanden ihm, da er Luxusuhren übergab, aber nie eine Gegenleistung bekam. Einen US-Unternehmer aus dem Silicon Valley traf es noch härter: Er wollte einen Hilfsfonds für ukrainische Kinder einrichten und hatte dafür eine Million US-Dollar (derzeit umgerechnet 935.515 Euro) in einem Kryptowallet. Um Transaktionsspesen zu sparen, boten ihm die Täter an, die Summe in Bargeld zu tauschen – mithilfe des "rumänischen Tischs". Als der US-Amerikaner den Betrug bemerkte, wurde er mit vorgehaltener Pistole gezwungen, die virtuelle Währung zu überweisen.

Wiener Einheit mit gutem Ruf

Welchen Ruf sich die Wiener Sonderermittler erarbeitet haben, lässt sich daraus ableiten, dass diese beiden Opfer sich direkt an die Stelle wandten, da sie durch mediale Berichterstattung auf sie aufmerksam geworden waren beziehungsweise ausländische Polizeibehörden auf sie verwiesen. Da die eigentlichen Tatorte fast immer im Ausland liegen – im aktuellen Fall besonders in Italien –, sind internationale Kontakte sowohl mit den nationalen Dienststellen als auch mit der EU-Polizeiagentur Europol und Eurojust wesentlicher Bestandteil der grenzüberschreitenden Ermittlungen.

Tipps haben die Kriminalisten auch, wie man verhindern kann, selbst zum Opfer zu werden: Misstrauisch sollte man in jedem Fall werden, wenn der Geschäftspartner auf die Übergabe größerer Geldmengen im Ausland besteht. Endgültig alarmiert sollte man sein, wenn in letzter Minute der Treffpunkt geändert wird. Damit soll einerseits beim Opfer Stress erzeugt werden und andererseits mögliche observierende Polizisten ausgebremst werden. Misstrauisch sollte man auch werden, wenn die Gegenseite ohne Verhandlung bereit ist, den gewünschten Preis zu zahlen.

Für Hinweise auf den Aufenthaltsort von Martin Marinkovic hat der Verein der Freunde der Wiener Polizei 3000 Euro Belohnung ausgelobt, Hinweise werden an die Rip-Deal-Unit telefonisch unter 01 31310-62510 erbeten. (Michael Möseneder, 24.4.2024)

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