ERSTES PLAUDERBANKERL AUF WIENER FRIEDHOF ERöFFNET

Beim Reden kommen die Leut’ z’amm, heißt es in Wien. Neuerdings könnte man auch sagen: beim Plaudern. Ein Gespräch kann erfreuen, entlasten oder aufheitern, zumal in einer schwierigen Situation. Daher wurde am Dienstag das erste Plauderbankerl auf einem Friedhof eröffnet, und zwar in Hernals

An die Hundert Plauderbankerl wurden in Wien und Niederösterreich in den vergangenen zwei Jahren bereits aufgestellt: Das sind Parkbänke, auf denen eine blaue Plakette darauf hinweist, dass man sich hier unterhalten kann. Denn Gesprächsbedarf gibt es praktisch überall – doch Gesprächspartner sind nicht immer leicht zu finden. Auf dem Friedhof in Hernals werden ab sofort werktags freiwillige Helfer auf dem Bankerl Platz nehmen und für Gespräche zur Verfügung stehen.

Eine von ihnen ist Laura Rosar-Hundt, die normalerweise als Steuerberaterin in Wien arbeitet. „Ich wollte mich schon seit langer Zeit freiwillig engagieren, hatte aber noch zu wenig Zeit, als unsere Kinder kleiner waren“, erzählt sie. 

"Habe keine Angst, Leute anzusprechen"

Mittlerweile sei ihr Terminplan flexibler. Auf einer Plattform für Freiwilligenarbeit stieß sie auf die Plauderbankerl. Das passe gut zu ihr, sagt Rosar-Hundt: „Ich habe keine Angst, Leute anzusprechen, und freue mich, wenn sich ein Gespräch ergibt.“ 

Denn das sei in Zeiten, in denen jeder auf sein Handydisplay schaue, nicht so einfach: „Meine Kinder haben erzählt, dass sie früher öfters im Bus mit älteren Menschen ins Gespräch gekommen sind. So etwas geht heute kaum noch. Man spricht doch niemanden an, der auf sein Handy schaut“, erzählt Rosar-Hundt.

"Was haben Sie heute schon alles erlebt?"

Dabei könne man Menschen mit ein paar kurzen Sätzen und einem Lächeln schon Freude bereiten: „Es reicht oft schon, wenn man fragt: Wie war Ihr Tag? Was haben Sie heute schon alles erlebt?“ 

Betrieben wird das Plauderbankerl von der Caritas in Kooperation mit den Wiener Friedhöfen. „Gerade in Zeiten, in denen keiner scheut, dem anderen auszurichten, dass er nicht seiner Meinung ist, ist es wichtig, wieder ins Gespräch zu kommen“, sagt Caritasdirektor Klaus Schwertner bei der Einweihung der Bank. 

Das Plauderbankerl ist für jeden erreichbar

Einsamkeit könne jeden treffen, und oft wisse man nicht, wohin man sich wenden könne. „Gerade in einer Großstadt gibt es immer viel Redebedarf“, betont auch Peter Jagsch, SPÖ-Bezirksvorsteher von Hernals. Doch oftmals fehle eben ein passendes Gegenüber: Da soll eine Institution wie das Plauderbankerl, das für jeden leicht erreichbar ist, eine Hilfe sein. 

„Ein tolles Projekt“, sagt auch Renate Niklas, Geschäftsführerin der Friedhöfe Wien. „Hier kann man über alles reden. Über das Wetter, über Gott und die Welt – wenn man sich traut, sogar über Politik.“ 

Das Gespräch mit einem Außenstehenden

Dass der Bedarf, sich auszutauschen, sehr groß ist, weiß auch Schwester Samuela vom Pfarrverband Hernals. Gerade wenn es um den Verlust eines geliebten Angehörigen gehe: „Innerhalb der Familie spricht man anders darüber als mit einem Außenstehenden“, weiß sie aus Erfahrung. „Auch die Auseinandersetzung mit dem Tod: Da ist die Familie oft nicht der ideale Rahmen, um alles zu besprechen, was einen beschäftigt.“ 

"Habe einen guten Rückhalt"

Laura Rosar-Hundt freut sich jedenfalls schon auf die Menschen, die mit ihr künftig ins Gespräch kommen möchten – mögen sie nun fröhlich oder traurig sein. „Ich bin stark und habe Zuhause einen guten Rückhalt. Und wenn jemand professionelle Hilfe braucht, können wir auch Ansprechpartner empfehlen“, sagt sie. 

Rosar-Hundt ist ab sofort einmal pro Monat vormittags für zwei Stunden am Hernalser Plauderbankerl anzutreffen. Selbstverständlich ohne Handy. 

2024-07-02T12:18:35Z dg43tfdfdgfd