„DIE BESTEN BETRüGER IN EUROPA“

„Es sind mitunter die besten Betrüger in Europa“, sagt Sonderermittler Valentin Szaga-Doktor. Er spricht von jenen Kriminellen, die sich sogenannten Rip Deals verschrieben haben. In Wien gibt es eine spezielle Einheit für diese sehr trickreiche Art des Betrugs.

Bei einem Hintergrundgespräch am Mittwoch wurde exemplarisch die Vorgehensweise einer Bande, deren Kopf ein Österreicher ist, geschildert. Bei den Opfern handelte es sich teilweise um bekannte Persönlichkeiten. Die Rip Deal Unit des Wiener Landeskriminalamtes gibt es seit 2020. In Europa gelte sie als führend, sagt Martin Roudy, Leiter der Außenstelle Zentrum-Ost des Landeskriminalamtes Wien.

„Existenzen vernichtet“

Rip Deals werden vorwiegend von Clans der Westbalkanregion angewandt. Sie zielen auf wohl­habende Opfer ab, zu denen sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Die Täter geben sich als reiche Geschäftsleute oder Investoren aus und bekunden Kaufinteresse an Habseligkeiten der Opfer. Zu Geldübergabe locken sie diese ins Ausland. Das Zahlungsmittel stellt sich dann im Nachhinein meist als Falschgeld heraus. Nach dem Betrug werden die Opfer oft noch massiv bedroht.

Die Täter zeichnen sich durch „unglaublich hohe Professionalität“ aus, sagt Szaga-Doktor. Sie schlüpfen in Rollen, die sie perfekt beherrschen, und nützen teils die Notlage von Menschen aus. „Da werden auch Existenzen vernichtet“, ergänzt der Leiter der Wiener Einheit, Gerald Goldnagl. Bei dem geschilderten Fall, der „Operation Nipote“, ist bisher ein Schaden von 2,2 Millionen Euro entstanden, erzählt Sonderermittler Mario Kaintz. Der mutmaßliche Haupttäter, Martin Marinkovic, wird per europäischem Haftbefehl gesucht. Er war festgenommen worden, konnte aber fliehen. Für Hinweise zu seinem Aufenthaltsort wurden 3000 Euro Belohnung ausgelobt. Die Operation umfasst aktuell sechs Rip-Deal-Fälle, in denen teilweise auch Gewalt angewandt wurde.

Mit Waffe bedroht

Begonnen haben die Ermittlungen im Juli 2021 mit der Anzeige eines Tiroler Herstellers von Hygieneprodukten. Der heute 41-Jährige bekam eine Anfrage aus dem Ausland zum Kauf mehrerer seiner Produkte. Der Hauptverdächtige trat dabei als Vermittler auf und forderte als solcher eine Provision in Form von Goldmünzen. Für die Übergabe wurde der Arzt nach Italien gelotst. Bei dem Deal, der auf einem öffentlichen Platz stattfand, wurde er allerdings misstrauisch und wollte davon zurücktreten. Daraufhin zog der Verdächtige eine Faustfeuerwaffe, entriss dem Mann die Tasche mit Gold im Wert von 160.000 Euro und floh.

Kurz nach der Anzeige des Tirolers meldete sich ein Wiener, der ebenfalls Opfer eines Rip Deals geworden war. Die Vorgehensweise war ähnlich. Nur dass der Täter diesmal vorgab, ein Ferienhaus des 84-Jährigen erwerben zu wollen. Im Februar 2022 kam ein Opfer aus Kufstein hinzu. Der Mann gab an, in Verona betrogen worden zu sein, indem Täter ihm einen niedrigen sechsstelligen Betrag in Form von Falschgeld aushändigten. Danach aber verschwanden die Täter zunächst im Untergrund. Erst im Jänner 2023 meldete sich das nächste Opfer, ein deutscher Influencer.

Der heute 34-Jährige kontaktierte direkt die Wiener Rip-Deal-Einheit. Er gab an, dass ein vermeintlicher Scheich, der Investmentabsichten und Interesse an Luxusuhren bekundete, ihn in Brüssel betrogen habe. Unter falschen Versprechungen lockte er dem Deutschen die Uhren und Kryptowährung heraus. Für ihn entstand ein Schaden im mittleren sechsstelligen Bereich. Einen Monat später meldete sich ein US-Milliardär aus dem Silicon Valley bei der Wiener Polizei. Denn eine vergleichbare Einheit wie die Rip Deal Unit gibt es in den USA nicht. Er sollte in Mailand für einen Teil seines Kryptobestandes Bargeld bekommen. Der Amerikaner bemerkte den Betrug, woraufhin der Verdächtige ihn mit einer Schusswaffe nötigte, die Passwörter seiner Kryptokonten herauszugeben. Es entstand ein Schaden von rund einer Million Euro.

Wiener Chocolatier betrogen

Und schließlich erstattete im März 2023 ein Wiener Chocolatier Anzeige, weil er bereits im Jahr 2020 von einem vermeintlichen Investor aus Luxemburg in Mailand ausgeraubt wurde. Der Verdächtige attackierte dabei den heute 60-Jährigen, entriss ihm das Geld (150.000 Euro) und flüchtete. In all diesen Fällen identifizierten die Opfer Martin Marinkovic als Haupttäter.

Die Ermittler gehen davon aus, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer gibt, und appellieren an mögliche Opfer, sich zu melden. Um sich vor Rip Deals zu schützen, rät die Polizei dazu, nicht für den Verkauf von Habseligkeiten ins Ausland zu reisen. Auch sollte man achtsam sein, wenn die Käufer keine Anstalten machen, über den Preis zu verhandeln. Zudem sollte man gründliche Nachforschungen zu den Käufern anstellen.

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