ÄRZTEKAMMER NICHT ERFREUT: AUCH DIE APOTHEKER WOLLEN IMPFEN

Wie wichtig im Kampf gegen bestimmte Erkrankungen hohe Durchimpfungsraten sind, zeigt der aktuelle Masernausbruch in Österreich. Bis Kalenderwoche 16 wurden in diesem Jahr schon 397 Fälle gemeldet. Damit ist Österreich eines jener Länder in Europa mit den höchsten Fallzahlen pro Einwohner, wie Impf-Expertin Andrea Grisold gegenüber der Kleinen Zeitung vor kurzem sagte. Lücken bestehen nicht nur, was die Masern-Mumps-Röteln-Impfung anbelangt, ähnliches gilt auch für Polio, also Kinderlähmung oder Keuchhusten. Und auch wenn man auf saisonale Impfungen blickt, wie etwa auf jene gegen die echte Grippe, so liegt Österreich mit den Durchimpfungsraten unter dem europäischen Durchschnitt.

„Wie können wir die Durchimpfungsrate erhöhen?“, unter diesem Motto steht die aktuell laufende europäische Impfwoche. Einen Vorstoß, diese Frage zu beantworten, hat am Dienstag die österreichische Apothekerkammer gemacht: Die Apothekerinnen und Apotheker möchten auch impfen dürfen. „Die Verantwortlichen mögen rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, die es uns ermöglichen, in Apotheken zu impfen“, sagte Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Apothekerkammer. Aktuell liegt das Impfprivileg bei Ärztinnen und Ärzten. Mursch-Edlmayr unterstrich ihre Forderung mit Impfstatistiken. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO liegt Österreich in Bezug auf die Dreifachimpfung Diphterie-Tetanus-Pertussis auf dem letzten Platz, ebenso in Bezug auf Hepatitis B.

Andere Länder als Vorbild

In 17 europäischen Ländern wird nicht nur in Ordinationen, sondern auch in Apotheken geimpft: In Deutschland, in Irland, in Portugal, um nur einige Beispiele zu nennen. Dieser niederschwellige Zugang zeige positive Effekte, so Mursch-Edlmayr. Nämlich, dass Durchimpfgsraten steigen würden und auch in Ordinationen mehr geimpft würde.

Unterstützung bei der Formulierung ihrer Forderung holte sich die Apothekerkammer vom Seniorenrat, von der ÖGK und auch von der Patientenanwaltschaft. „Wir brauchen ein niederschwelliges Angebot, denn viele Menschen haben keinen Hausarzt, keine Hausärztin mehr“, sagte etwa Patientenombudsfrau Michaela Wlattnig. Ingrid Korosec vom Seniorenbund sagte: „Unser gesellschaftliches Ziel muss sein, dass wir nicht nur älter werden, sondern auch gesund älter werden. Daher ist präventives Impfen für ältere Menschen wichtig.“

Widerstand der Ärztekammer

Andreas Huss, Vizeobmann der Österreichischen Gesundheitskasse, sprach den Elefanten im Raum an, den Widerstand der Ärztekammer: „Ja, wir müssen uns dem Impfen in den Apotheken stellen. Die Frage ist nur, wie lange der Widerstand noch anhalten kann.“ Denn diese steht der Forderung der Apothekerkammer äußerst skeptisch gegenüber, seit das Thema während der Pandemie erstmals breit diskutiert wurde. Kurz bevor die Pressekonferenz am Vormittag gestartet war, ließ Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart via Aussendung verbreiten: Die Bevölkerung in Österreich verfüge durch die niedergelassene Ärzteschaft über einen gut ausgebauten, niederschwelligen Zugang zu Impfungen. „Warum sollte man sich also mit weniger als dem Goldstandard, also dem Impfen bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zufriedengeben?“

Auf Nachfrage der Kleinen Zeitung sagte Steinhart: „An Anlaufstellen für Impfungen mangelt es in Österreich dagegen nicht: Im internationalen Vergleich verfügt Österreich über ein sehr dichtes Netz an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und damit über ein zuverlässiges und niederschwelliges Impfangebot.“ Apothekerinnen und Apotheker würden einen wertvollen Beitrag für den Impfschutz der Bevölkerung leisten, „indem sie die Lagerung und die Abgabe von Impfstoffen managen. Das sind ihre Kompetenzen, wir Ärztinnen und Ärzte haben andere Kompetenzen“, so Steinhart weiter. Für die Ärztekammer stehe die Patientensicherheit im Vordergrund. „Die Gefährdung bestünde dann, wenn nicht ausreichend qualifizierte Berufsgruppen impfen würden.“

Um die Qualität und richtiges Reagieren im Ernstfall sicherstellen zu können, habe man mittlerweile 2500 Apothekerinnen und Apotheker in Sachen Impfen ausgebildet, schilderte hingegen Ursch-Edlmayr. Angelehnt war das aus einem theoretischen und praktischen Block bestehende Fortbildungsprogramm, an jenen, die auch in Nachbarländern umgesetzt werden. Begleitet wurde es durch Wissenschaftler, Medizinerinnen sowie Sanitäter. „Auch das österreichische Impfgremium war eingebunden“, so die Präsidentin der Apothekerkammer. Auf Notfälle sei man vorbereitet, etwa mit Epi-Pens. „Und auch wenn es in einer Ordination zu einem Notfall nach einer Impfung kommt, muss die Rettung gerufen werden.“

Grundsätzlich möchte man Erwachsenenimpfungen anbieten, es sei nicht das Ziel, Kinderimpfungen durchzuführen. Eine Klarstellung, die auch Huss (ÖGK) begrüßte. „Kinder und Risikopersonen gehören in die Arztpraxis.“ Und er fügte hinzu: „Es wird ja niemand gezwungen in die Apotheke zu gehen, wenn ich lieber zum Arzt möchte, kann ich das tun.“

Eine Frage der Kosten

Großes Thema in Sachen Impfen sind auch die Kosten, die abseites vom Kinderimpfprogramm meist von den Menschen selbst beglichen werden müssen und im Falle von Herpes Zoster Erwachsene zwischen 500 und 600 Euro kosten können. Dass das für viele kaum oder nicht leistbar ist, ist den meisten Beteiligten klar. Aus diesem Grund forderte Peter Kostelka (Pensionistenverband): „Impfungen, die vom Impfgremium empfohlen werden, sollten kostenfrei sein.“ Und hier gibt es auch Einigkeit mit der Ärztekammer. Alle im Impfplan empfohlenen Impfungen sollten demnach in Österreich kostenfrei und ohne Selbstbehalt zur Verfügung gestellt werden. Auch eine Ausweitung des Impfprogramms brauche es, so Ärztekammer-Präsident Steinhart: „So sollte beispielsweise die im Kinderimpfprogramm etablierte Pneumokokken-Impfung auch für Erwachsene kostenfrei sein, ebenso die Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und die Impfung gegen Herpes Zoster.“

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