STIMMENKLONEN IST AUF JEDEN FALL EINE ARBEITSERSPARNIS

Aufgefallen sind sie erstmals durch die Erfindung von ChatGPT. Damit kann man sich Hausübungen, Masterarbeiten, Drehbücher, Prospekte oder Briefe schreiben lassen, komplizierte Rechnungen durchführen und noch ein paar Dinge, für die man früher Leute bezahlen oder mit Schokolade bestechen musste. Aber es hat ein paar Dinge gegeben, die die KI nicht konnte. Zum Beispiel konnte sich ein Politiker zwar von ChatGPT eine Wahlkampfrede schreiben lassen, sie vor dem Wahlvolk aufsagen musste er aber noch selbst. Mit „Voice Engine“ wird das einfacher. Denn das Programm kann Stimmen klonen. Und wer schon einmal mit einem Politiker in einem Tonstudio stand, weiß: Das Stimmenklonen ist auf jeden Fall eine Arbeitsersparnis. Das wird sich vielleicht auch der eine oder andere Verbrecher sagen.

Den „Enkeltrick“ kann man jetzt jedenfalls mühelos gleich mit der geklonten Stimme vom echten Enkel durchführen. Ein paar unbedachte Worte in einem Chatroom zu hinterlassen, reicht aus, damit der Fake-Enkel die Oma um 2.000 Euro bitten kann, die sie ihm in den Urlaubsort überweisen soll. Weil Koffer gestohlen und Geld weg. Gar nicht zu reden vom Verbrechenssektor des Entführens und Erpressens. Keiner muss noch die Gattin eines Wirtschaftstycoons zum Jammern bringen, damit die Millionen fließen. Dank „Voice Engine“ kann der Verbrecher alles selbst machen. Und warum sollte man nicht noch größer denken? Auch die Stimme des Präsidenten einer Atommacht ist schnell geklont. Aber fürchten müssten wir uns trotzdem nicht. Denn an der Atombombe kann man sehen: Nur weil einmal ein paar Wunderkinder eine Waffe erfunden haben, muss sie ja nicht eingesetzt werden. Oder? 

 (Die Presse Schaufenster, 19.4.2023)

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