REIßT DIE VAMED-ZERSCHLAGUNG EIN LOCH IN ÖSTERREICHS GESUNDHEITSVERSORGUNG?

Wien. Hans Peter Doskozil hat vergangene Woche einen Brief an Bundeskanzler Karl Nehammer geschickt. Darin fordert der burgenländische Landeshauptmann vom Kanzler, er möge den Ausstieg der Staatsholding Öbag beim wichtigsten heimischen Gesundheitsdienstleister Vamed AG rückgängig machen. Es ärgere ihn, „dass der Bund scheinbar ganz bewusst ausgestiegen ist, um die Zerschlagung der Vamed mit einem anschließenden Ausverkauf an Investoren zu ermöglichen“. Diesen gehe es nämlich in erster Linie um den Gewinn und nicht um den Patienten, so Doskozil.

Dass die Vamed schon bisher im Mehrheitseigentum eines privaten börsennotierten Konzerns gestanden ist, kümmert den besorgten Landeshauptmann in diesem Zusammenhang wenig. Die plötzliche Aufregung begründe sich wohl auch im anlaufenden Wahlkampf, kommentieren Beobachter trocken.

Die Filetierung der Vamed führt nun zu seltener Einigkeit unter den Genossen, die sich das Thema Gesundheit stolz auf ihre Fahnen heften. „Mit Gesundheit und Pflege darf kein Geschäft gemacht werden“, verlautbarte Doskozils Intimfeind, SPÖ-Chef Andreas Babler, der im Zuge des Vamed-Deals vor einer Verschärfung der Zwei-Klassen-Medizin warnt. Ist das nur Wahlkampf-Rhetorik oder ist da tatsächlich etwas dran?

1. Worum geht es beim Verkauf der Vamed eigentlich?

In den 1980er-Jahren wurde Vamed mit dem Bau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) bekannt und hat sich seither als Krankenhausdienstleister rund um den Globus einen Namen gemacht. Im Zuge der Privatisierungswelle wurde der ehemals zu hundert Prozent im Eigentum der Republik stehende Gesundheitskonzern unter SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky 1996 zu 77 Prozent an den deutschen Fresenius-Konzern und zu zehn Prozent an die B&C Holding verkauft. Die restlichen 13 Prozent blieben über die Staatsholding im Eigentum der Republik.

In den vergangenen Jahren ist die Vamed in schwere wirtschaftliche Turbulenzen geraten, die auch Unternehmensmutter Fresenius in Schwierigkeiten brachten. Der DAX-Konzern stieß das Österreich-Geschäft der Vamed im Mai an eine Beteiligungsgesellschaft der beiden Baukonzerne Porr und Strabag ab, die nunmehr mehrere Thermen sowie die technische Betriebsführung des AKH Wien verantworten.

2. Woher kommt die Aufregung um den Öbag-Ausstieg?

Anfang Juni verkündeten sowohl die Öbag als auch die B&C Gruppe, dass sie ihre Vamed-Anteile abgeben werden. Dem Ausstieg lag eine Call/Put-Option aus dem Jahr 1996 mit einem bereits damals fixierten Preis zugrunde. Inzwischen ist der Rückverkauf der staatlichen Anteile fertig abgewickelt – um einen niedrigen einstelligen Betrag, wie es aus Kreisen heißt.

Kritiker fürchten nun, dass man mit dem Ausstieg der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ein Stück weit Kontrolle über die sensiblen Vamed-Gesundheitseinrichtungen verlieren würde.

„Dieser Verkauf zeigt einmal mehr, wie wichtig eine stabile öffentliche Versorgung durch eigene Einrichtungen der Sozialversicherung ist“, sagt ÖGK-Arbeitnehmer-Obmann und stellvertretender Vorstand des Dachverbands der Sozialversicherungsträger, Andreas Huss. Internationale Investoren seien „sehr oft keine verlässlichen Partner einer stabilen solidarischen Versorgung für unsere Versicherten.“

3. Gefährdet ein französischer Fonds nun das Pflegesystem?

Für Aufregung sorgt derzeit der Verkauf der Vamed-Reha-Sparte, die in Österreich 17 Häuser umfasst, darunter Altersheime und Entzugskliniken. Diese sollen zu 67 Prozent an den französischen Private-Equity-Fonds PAI verkauft werden.

Die Fondsgesellschaft hat seit Jahrzehnten in Projekte im Gesundheitsbereich investiert, verfügt auch über Erfahrung bei der Sanierung von Einrichtungen wie jenen der Vamed. Der Fonds steht aber in der Kritik, den Wert seiner Investments mit Qualitätsabbau in die Höhe zu treiben und dann mit Gewinn abzustoßen. 2014 kaufte PAI in Frankreich eine große Pflegeheimkette und veräußerte sie wenige Jahre später wieder – mit hohem Gewinn und einer danach deutlich schlechteren Behandlungsqualität.

Ein ähnliches Schicksal könnte nun auch heimischen Kliniken widerfahren, fürchten Menschen aus dem Gesundheitsbereich. „Solche Entwicklungen müssen gestoppt werden“, warnte zuletzt auch Ärztekammer-Chef Johannes Steinhart.

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