Mit Papst Leo XIV. stammt erstmals ein Papst aus dem Orden der Augustiner, einem traditionsreichen katholischen Bettelorden mit mehr als 750-jähriger Geschichte. Der „Ordo Fratrum Sancti Augustini“ (OSA) geht in seiner geistlichen Ausrichtung auf den Kirchenvater Augustinus von Hippo (354-430) zurück, der eine Ordensregel verfasste, die als älteste der westlichen Kirche gilt.
Das neue Kirchenoberhaupt steht in der Tradition einer Gemeinschaft, die sich seit Jahrhunderten dem Dienst an Kirche, Bildung und Gerechtigkeit verpflichtet weiß - und der einst auch Martin Luther angehörte.
Die eigentliche Gründung des heutigen Ordens erfolgte 1256 durch Papst Alexander IV. mit der Bulle „Licet Ecclesiae“, in der mehrere Eremitenverbände, die bereits nach der Regel des heiligen Augustinus lebten, vereinigt wurden. Die neuen Mitglieder traten als „Augustiner-Eremiten“ auf - ein Titel, der später (1963) auf „Augustiner“ verkürzt wurde, um dem tatsächlichen Charakter des Ordens als Stadtorden besser zu entsprechen.
Als Ordenskleid bekamen die Mitglieder den schwarzen Habit, einen Ledergürtel und eine schwarze Kapuze. Die Klosterregeln waren vergleichsweise mild und enthielten namentlich das Fasten; auch durften die Mönche Schuhe statt Sandalen tragen. Durch die Gründung des Ordens wollten die Päpste auch Weltpriestern die Vorteile mönchisch-klösterlichen Lebens eröffnen. Mittelpunkt des wissenschaftlichen Strebens im Orden war das 1259 gegründete Pariser Kloster mit seinem später der Universität eingegliederten Studienhaus.
Nach dem Willen des Papstes sollten sich die Brüder in den Städten niederlassen, nicht in der Einsamkeit. Ihr Auftrag bestand in der Verkündigung des Gotteswortes durch Predigt und Schriftauslegung, die würdige Gestaltung des Gottesdienstes und die Pflege von Wissenschaft und Kunst. Im Augustinerorden gab es keinen Statusunterschied zwischen Priestern und Laienbrüdern; letztere waren in den Kapiteln (Versammlungen) ebenfalls voll stimmberechtigt und hatten Zugang zu allen Ämtern.
Der Orden breitete sich rasch über ganz Europa aus. Bereits Ende des 13. Jahrhunderts war er in bis zu 24 Provinzen organisiert, mit Klöstern von Irland bis Zypern. Besonders in der Stadtseelsorge spielte der Orden eine bedeutende Rolle. Durch Predigt, Bildung und wissenschaftliche Arbeit leisteten Augustiner einen wesentlichen Beitrag zur kirchlichen Erneuerung im Spätmittelalter. Zentren des Ordens waren unter anderem Erfurt, Köln, Wien und Paris.
Das 16. Jahrhundert war die Blütezeit des Ordens. Er unterhielt damals rund 2.000 Mönchs- und 300 Frauenklöster mit etwa 35.000 Mitgliedern. Besonders beliebt wurde der Orden im deutschen Sprachraum. Die deutsche Provinz zählte am Ende des 13. Jahrhunderts schon gegen 80 Konvente.
Berühmtester und wirkmächtigster Augustiner-Eremit wurde Martin Luther (1483-1546). Er trat 1505 dem Erfurter Augustinerkloster bei - eine Wegstation, die seine spätere Reformationstätigkeit entscheidend prägte. Diese führte allerdings in Deutschland zur Auflösung zahlreicher Konvente des Ordens.
Weitere prominente Augustiner waren der Mystiker Nikolaus von Tolentino, der Theologe Aegidius von Rom oder Heinrich von Friemar. Von den österreichischen Vertretern trug Thomas von Straßburg als Generalprior viel zur Gründung der Universität Wien bei, Gregor von Rimini zu deren philosophischen Ausrichtung und Leopold Steinreuther zur Geschichtsschreibung. Abraham a Sancta Clara, als Augustiner-Barfüßer Angehöriger eines Reformzweigs des Ordens, galt als einer der bekanntesten Prediger und Schriftsteller des Barockzeitalters, David Cajetano Rutschmann als Schöpfer einer astronomischen Uhr im Wiener Augustinerkloster und schließlich Johann Gregor Mendel als Wegbereiter der modernen Genetik.
Nach schweren Krisen durch Reformation, Aufklärung, Säkularisation und Klosteraufhebungen schrumpfte der Orden im 19. Jahrhundert erheblich. Erst ab dem späten 19. Jahrhundert gelang eine vorsichtige Erholung, insbesondere in Spanien, Belgien und Deutschland.
Heute ist der Augustinerorden weltweit in rund 50 Provinzen, Vikariaten und Delegaturen organisiert. Etwa 2.600 Ordensmitglieder engagieren sich in Seelsorge, Bildung, Mission und wissenschaftlicher Arbeit. Wichtige akademische Einrichtungen sind das „Institutum Patristicum Augustinianum“ in Rom, die Universität Villanova in den USA sowie das Augustinus-Institut in Würzburg.
In Österreich besteht mit dem Augustiner-Vikariat Wien eine eigene Zirkumskription, die Klöster in Wien und im bayerischen Zwiesel betreibt. Sie geht zurück auf die sudetendeutschen Augustiner, die nach der Heimatvertreibung 1945 in Wien eine neue Heimat fanden. Das „Augustiner-Vikariat Wien Maria Trost“ steht unter der direkten Jurisdiktion des Generalpriors in Rom, ihm gehören acht Mitbrüder an. Die Aufgabengebiete umfassen im Wiener Kloster Pfarr-, Schul- und Lehrlingsseelsorge, den Schulunterricht, das Studium und die Ausbildung des Ordensnachwuchses, im Zwieseler Konvent im Bayerischen Wald die Leitung eines Gästehauses. (www.augustiner.at) (APA)
2025-05-09T16:18:06Z